Das Nominierungsspiel

Victims Family

Reinhold Alsheimer wollte von mir wissen, was mir zu Victims Family so einfällt. Und ja, es ist mir was eingefallen.

Zu später Stunde hatte die Gerti hatte gerade eins ihrer Couplets beendet, da kam ich mit einem Tischnachbarn ins Gespräch. Gegen vier in der Früh eignet sich das Wetter nicht so, um eine Unterhaltung zu beginnen. Im Anschluss an eine nicht perfekte, dafür umso liebevoller vorgetragene Weise drängt sich das Thema Musik als Gesprächsgrundlage geradezu auf.

Schnell war klar, mein Nachbar und ich, wir leben musikalisch in grundverschiedenen Welten. Er war mit Leib und Seele Jazzer. In existentialistisch schwarzem Rollkragen schwärmte er von Songs, Bands, Musikern, deren Namen mir fremd waren. Ich konterte mit dem Schrägsten, was der Punk her gab. Da war kein Zusammenkommen. Zwei arrogante Schnösel, die sich einiges auf die reine Lehre ihrer Musik einbilden.

Doch halt. War da nicht etwas? Ja, genau, Victims Family. Da war Punk drin und Jazz (...und auch Metal und Rock und HipHop und etwas David Bowie und und und).

Vielleicht war es dieser Abend, der mich nachhaltig an der reinen Lehre des Punk zweifeln lies? Nein, so schnöselig wie mein Jazz-Gegenüber wollte ich nicht alt werden.

Zurück aber zu Victims Family.

Ich könnte jetzt die Plattitüde von der Band, die ihrer Zeit voraus war, bemühen. Das wird aber der Band nicht gerecht. Victims Family waren niemandem voraus und sie waren auch nicht irgendwo hinterher. Sie waren keine Pioniere, sie haben schlicht ihre eigene Welt aufgebaut, eine Zeit lang darin gelebt und haben diese Welt dann einfach wieder verlassen (und wieder bezogen und wieder verlassen. Von immerhin 3 Gründungen der Band weiß Wikipedia zu berichten).

Victims Family rissen virtuos gängige Hörmodelle der 80er Jahre auf. Oder eher nieder. Mit Witz, Energie und einer gehörigen Portion Spielfreude verblüfften sie ihr Publikum Song für Song auf's neue.

Das äußerte sich schon mal so, dass man sich gerade bei Pogo oder Slamdance einzugrooven versuchte und dann abrupt über den eigenen Tanzstil stolperte, der Breaks und Tempowechsel einfach nicht vorsah.