Biertischgespräche

Über Putin, einen Holzofen und die Scharia

Wenn sich zwei Halbwissende zusammensetzen und sich gegenseitig zu immer neuen, abgedrehteren Aussagen und Erklärungen anstacheln, dann kann man schon einmal den Überblick verlieren. Folgen sie mir in die faszinierenden Untiefen der Stammtischphilosophen.

Ein Oktober Nachmittag. Das muss der oft beschworene güldene Herbst sein. Es ist nicht mehr so richtig warm. Richtig kalt ist es aber auch nicht. Gerade so, dass es sich am Biertisch noch aushalten lässt.

Ja servus. Setz' dich her da. Platz ist ja genug.

Gell, das mit dem Holzofen ist schon eine gute Sache. Ja, wir überlegen uns auch, einen in die Bude zu stellen. Soll ja jetzt so richtig teuer werden. Das Gas. Wobei das mit dem Gas uns ja eigentlich nicht betrifft. Wir haben ja einen Nachtspeicherofen. Noch nie gehört? Das ist eigentlich so ein Relikt aus den Hochzeiten der Atomverstromung. Weil sich so ein Atomkraftwerk nicht regeln lässt und niemand wusste, wohin mit all dem Nachtstrom, hat man mit dem Nachtstrom einfach Steine aufgeheizt. Eine moderne Technik, die auch in der Steinzeit schon zum Kochen verwendet wurde. Gut, da gab es keinen Atomstrom, das ist schon richtig. Aber Steine, die haben sie damals auch schon gehabt.

Eigentlich haben wir ja gedacht, mit dem Atomausstieg wären auch die Tage der Nachtspeicheröfen gezählt. Ne, ne, ne, ne. Da werden Stimmen laut, die überlegen, ob sich so ein antiker Wärmespeicher nicht auch zur Speicherung von Wind- und Sonnenenergie eignen könnte. Ist ja so eine Sache mit diesen naturnahen Stromdingern. Die machen Strom, wenn es die Laune der Natur zulässt. Und das muss nicht immer genau dann sein, wenn unsereins die Waschmaschine anschmeissen will. Mit so Wärmetauschern oder Kopplern oder Pumpen, also mit irgend so einem modernen Zeug lässt sich dann die Wärme der Steine sicher in Rotation für die Waschmaschine umsetzen. Bin ich mir sicher.

Ob das nicht recht teuer ist, das mit dem Nachtspeicherofen? Und ob das teuer ist. Da kostet das warme Wohnzimmer locker drei Mal so viel, wie wenn man das mit Gas macht. Ja ne, Gas. Also noch vor einem Jahr hätte ich gesagt, das heizen mit Strom ist mit so ungefähr das Dümmste, was man sich hat einfallen lassen. Seit dem 24. Februar bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. Also ich bin froh, dass wir keinen Gasofen haben.

Warum das Gas jetzt so teuer ist? Weil Russland nichts mehr liefert, meinst du? Und weil die Gasleitungen gesprengt wurden? Ich denke, ganz so einfach ist das nicht. Denn eigentlich ist ja Gas da. Und zwar so viel Gas, dass die oft zitierten Gasspeicher zu über 90% gefüllt sind. Wo doch lange gezittert wurde, ob wir überhaupt genug Gas für über den Winter zusammenkratzen können. Also noch ist Gas da. Ob das im Januar noch uneingeschränkt so sein wird, das ist Glaskugelleserei. Jetzt ist Gas da. Folglich ist der hohe Preis kein Problem der Gasknappheit, sondern ein Problem der Marktwirtschaft. Der Markt spekuliert darauf - und ich mag gar nicht in Abrede stellen, dass es bald so weit sein kann - dass das Gas in naher oder ferner Zukunft knapp wird und dreht vorsorglich schon mal an der Preisschraube.
Wir haben aktuell eine Geldkrise, keine Gaskrise. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was wir haben werden, wenn das Gas dann wirklich knapp wird.

Wie wir aus der Misere raus kommen? Das wird dir niemand sagen können. Weil das keiner weiß. Ob das mit den Sanktionen der richtige Weg ist? Und ob wir damit nicht bei uns mehr kaputt machen, wie da drüben? Auch das mag niemand zu sagen. Sieht man sich die Vergangenheit so an, nein, mir fällt gerade kein Konflikt ein, der mit Sanktionen hätte gelöst werden können. Aber mir fallen auch nicht so viele Kriege ein, die in einem klaren Sieg der einen oder anderen Partei geendet hätte.

Obwohl. Der Erste Weltkrieg. Und der Zweite Weltkrieg auch. Da gab es jeweils klare Sieger. Dem Himmel sei es gedankt, es waren auch die richtigen. Aber welchen Preis hatten die Siege? Zwei Mal wurde ein ganzer Kontinent mit Blut getränkt. Zwei Mal starben Menschen auf der ganzen Welt. Niemand mit einem Funken Restverstand kann sich so ein Ende des Ukraine Krieges wünschen. Nicht eine Frau Baerbock, die ein ums andere Mal leiert, Putin dürfe den Krieg nicht gewinnen. Nicht ein Melnyk, der sein Herz an diesen Nazikollaborateur Bandera verschenkt hat. Auch nicht ein Selensky, dem es nicht zu verdenken ist, wenn er den Putin mit den seinen aus der Ukraine hinauswerfen möchte.

Über kurz oder lang wird es Gespräche geben müssen. Mit Putin oder ohne, egal, aber es muss verhandelt werden. So lange wie beide Seiten auf 100% bestehen, so lange werden Waffen sprechen. Du glaubst doch nicht, dass sich ein Putin so einfach aus der Ukraine raus werfen lässt. Und dann sagt "Ach geh', Schwamm drüber. Lass uns wieder Freunde sein". Nein, der wird nach der Teilmobilisierung zur Generalmobilisierung über gehen. Und er wird weiter den Atommuskel zucken lassen. Und wir werden bis zuletzt hoffen, dass es nur sein Muskel ist, der da zuckt.

Und weil es Gespräche geben muss, muss sich auch jemand überlegen, wie so Gespräche aussehen könnten. Ich bin ja jetzt keiner, der sich groß auf dem Tablett der internationalen Diplomatie auskennt. Und doch habe ich mir da so meine Gedanken gemacht. Hier am Biertisch kann ich die ja sagen. In der Öffentlichkeit? Ich würde gelyncht werden. Oder wenigstens als Putinversteher geächtet. Müsste ich dem Selensky und dem Putin was präsentieren, das würde etwa so aussehen:

Ihr schleichts eich jetzt beide aus dem Donbass, aus Donezk und auch aus der Krim. Beide habe ich gesagt. Zack, zack. Und beide Gebiete werden entmilitarisiert und unter Internationale Kontrolle gestellt. Auch mit Blauhelmen. Dann unterschreibt der Selenski einen Verzicht auf einen NATO Beitritt. Im Anschluss wird der Ukraine eine doppelte Freihandelszone angeboten. Und zwar eine mit der EU und eine mit den GUS Staaten. Also nicht entweder oder, sondern sowohl als auch. Ja und der Putin erklärt in aller Öffentlichkeit, dass der Selenski ja doch eigentlich gar kein Nazi ist. Anschliessend müssen sie sich ja nicht die Hände reichen - so weit würde ich da nicht gehen - aber sie könnten sich wichtigerem zuwenden. Zum Beispiel dem Wiederaufbau dessen, was sie gerade kaputt gemacht haben. Ja, ich glaube, das würde ich ihnen sagen.

Beide, also der Selenski und auch der Putin, könnten erhobenen Hauptes heim gehen. Der Selenski, weil er dem Putin nicht nachgegeben hat. Der Putin, weil es zum einen keine Nazis mehr gibt, die er erschiessen muss und zum anderen er den Krieg nicht verloren hat. Der Putin kann sagen, der Selenski hat jetzt diese Gebiete nicht mehr. Und der Selenski kann sagen, aber der Putin auch nicht. Und die Wirtschaft der Ukraine freut sich ebenso wie die Wirtschaft Russlands.

So könnte ich mir das vorstellen. Ich werde ja wohl noch mal träumen dürfen.

Wenn es wäre, ich würde der Annalena natürlich das Copyright für diese Idee übertragen. Allein ich glaube nicht, dass das was wird. Die steckt noch viel zu tief in ihrem "Der Putin darf nicht gewinnen" Mantra. Sie ist da eine Getriebene ihrer selbst. Da ist mit so ein zögerlicher Scholz gerade etwas sympathischer. Dir auch? Gell, eigentlich ist es ganz schön da einen zu haben, der nicht poltert und mit dem Säbel rasselt.

Dir sind die Grünen eh suspekt? Mir auch. Mindestens seit... ja eigentlich seit dieser Turnschuhjunge bei einer Regierung mitgemacht hat. In Hessen war das. Vielleicht auch schon vorher. Und doch mag ich mich an dem allgemeinen Grünen-Bashing nicht beteiligen. Ich mag mich nicht an des Hofreiters Frisur abarbeiten. Nicht am Bauchumfang von Frau Lang. Das ist peinlich. Das hat das Niveau eines Fips Asmussen. Herrenwitz mit Mundgeruch.

Was soll ich sagen, in meiner Blase werden gerade Wahlplakate von 2021 herumgereicht. Mit dem klaren Hintergrund "Die verraten ihre Wählerinnen und Wähler". Da wird nicht einen Moment darüber nachgedacht, dass diese Plakate in einer Zeit vor Putins Überfall auf die Ukraine gemalt wurden. Ich traue mich den Arsch zu verwetten, dass ein Habeck mit ganz anders idealistischen Zielen angetreten ist, als Gasriesen zu retten und für warme Wohnungen zu sorgen. Auch eine Baerbock hätte sicher lieber mit einem Putin über LGBTQ geplaudert, als die korrekte Aussprache von Haubitze lernen zu müssen. Warum jetzt ein Hofreiter zum Waffenexperten geworden ist, das entzieht sich allerdings... obwohl, wenn er - genau so wie ich - mit Airfix und Revell groß geworden ist, da hat man dann schon ein reichhaltiges Wissen in Sachen schwerer Waffen.

(Im Folgenden wogte das Gespräch hin und her, ganz ohne klare Richtung. Bis sich im Dunstkreis von Justizpalast und dem einstigen Urteil gegen Sophie Scholl wieder ein Thema heraus kristallisierte: Rechtsprechung.)

Was echt, dem haben sie 370 Jahre Knast aufgebrummt? So lange lebt doch kein Mensch. Was? Dann hat ein Anwalt das als klaren Sieg vor Gericht gefeiert, weil er durch einen Einspruch das Strafmass auf 240 Jahre drücken konnte. Echt jetzt? Die haben doch einen Schlag, die Amis. Three-strikes law? Ja, ich glaube ich habe davon schon gehört. Echt jetzt, die machen das da immer noch? Drei Mal einen Blödsinn und dann ab für den Rest des Lebens in den Knast? Also für irgendeinen Blödsinn, nicht für so richtig Scheisse. Als Teenie Kippen geklaut, dann ein Video bei Kaufland eingesteckt und auf der Wiesn vielleicht in eine Rauferei geraten und - zack - Schluss ist mit dem guten Leben. Wow. Das hat was von Mittelalter, findest du nicht?

Wobei, es ist ja schon so, dass es ganz unterschiedliche Rechtssysteme auf dieser Welt gibt. Die Idee der Resozialisierung, die gibt es bei uns. In Amerika ist das nicht so verbreitet. Und dann gibt es anderen Ortes die Scharia. Im Falle eines Taschendiebes wäre das dann so eine Art Two-strikes law. Beim ersten Mal, linke Hand ab. Beim zweiten Mal, rechte Hand ab. Dann wird sich das mit dem Taschendiebstahl erledigt haben.

Was es mit dem Zinsverbot in der Scharia auf sich hat? Nein, davon habe ich keine Ahnung. Ob ich weiß, wie das umgangen werden kann? Nein, auch davon habe ich keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, ich habe von Zinsen insgesamt recht wenig Ahnung. Wie sie berechnet werden, wer sie festlegt. Ja gut, im Großen und Ganzen weiß ich natürlich schon, wie das funktioniert. Ich will was haben, ein Haus zum Beispiel, kann es mir aber nicht leisten. Weil so ein Haus zum Beispiel 1.000.000 Euros kosten täte und die habe ich nicht. Und dann kommt eine Bank daher und sagt "Ich gebe dir die 1.000.000 Euros. Und du kaufst dir das Haus und du gibst mir die 1.000.000 Euros dann nach und nach zurück. Und dazu noch 20.000 Euros auch." Dann sind die 20.000 Euro die Zinsen. So kenne ich das.

Und laut Scharia darf man das nicht? Wie macht das dann ein gläubiger Moslem? Also wenn er gerne ein Haus hätte aber das Kleingeld nicht reicht? Wie ganz einfach? Das musst du mir erklären. Also dann kauft ganz einfach die Bank das Haus für 1.000.000 Euros. Und sie verkauft dem gläubigen Moslem das Haus für 1.020.000 Euros weiter und sagt, weil du das nicht auf einmal zahlen kannst, dann zahlste das eben auf Raten. So machen die das dann...

Ist ja eigentlich so, die Bank sagt, ich will von dir 20.000 und wie ich die bekomme und wie ich das dann nenne, das ist doch scheissegal. Und welcher Religion du angehörst, das ist mir auch scheissegal.

So, jetzt muss ich aber heim. Es wird kalt, es wird dunkel und das Essen steht auch schon auf dem Tisch. Was es gibt? Natürlich Salat. Bei den Energiepreisen...

Die aufmerksameren unter euch - und ich bin mir sicher, ihr seid alle aufmerksam - werden bereits gemerkt haben, dass das Bild zum Artikel so rein gar nichts mit dem Artikel zu tun hat. Zwar würde es nicht weiter verwundern, wenn der Protagonist während des Gesprächs das eine oder andere Gurkenstamperl zu sich genommen hätte... hat er aber nicht.
Tatsächlich ist das Bild bei dem Artikel gelandet, weil ich die Idee, einen Gurkenschnaps auf den Markt zu bringen schon irgendwie abgefahren finde. Aber nicht abgefahren genug, um daraus eine eigene Geschichte zu machen.