Der letzte Schiss vielleicht

Über Klopapier

Eigentlich ist das Thema Klopapier ja schon längst durch. Und doch spukt es mir gelegentlich durch den Kopf. Dann muss ich den Kopf kurz schütteln, dann ist wieder alles gut. Wirklich?

Die Frage bleibt, was treibt den Menschen dazu, sich angesichts einer bedrohlichen Situation mit Klopapier einzudecken. Ist das so eine Art Überlebesreflex? Pandemie? Klopapier! Überschwemmung? Klopapier! Meteoriten? Klopapier! Armageddon? Klopapier! Eine Urangst, sich bei drohender Gefahr in die Hosen zu machen?

Wobei ich natürlich den Menschen Unrecht tue, wenn ich von "den Menschen" spreche. Denn es sind bei weitem nicht alle Menschen, die im Auge des Sturms ihre Analfixiertheit ausleben. Es sind vor allem Deutsche Menschen - auch da nicht alle, aber eben vor allem Deutsche. Wenn ich persönlich die Wahl hätte, wo ich dem Ende der Katastrophe entgegensehen möchte? Ich würde glatt nach Frankreich gehen. Da werden Wein und Kondome gehortet, das verspricht mehr Spaß als Klopapier.

Seht her, ich produziere immer noch etwas ganz Großes(1)

= Ines Imdahl, Diplom-Psychologin =

Ich habe mir mal für mich überlegt, was ich denn gerne in großen Mengen um mich habe, wenn es so richtig zur Sache geht. Womit würde ich Einkaufswagen, Keller und Speicher füllen. Mit Klopapier? Moment... nein, Klopapier käme da in meinen Überlegungen nicht vor. Nicht einmal nachrangig. Einfach überhaupt gar nicht.

Bin ich da eigen? Denke ich da nicht an die wirklich wichtigen Dinge? Ich habe mich mal in der Prepperszene umgehört. Welchen Stellenwert nimmt das Klopapier bei den Profis in Sachen Weltuntergang ein? So ein Prepper tauscht sich ja schon mit seinen Mitpreppern aus, was man so in seinen Atombunker stopft. Zumal der Platz da für gewöhnlich recht beengt ist.

Ich habe viele - einfache, Detail verliebte, ausführliche - Listen mit dem Wichtigsten für 10 oder auch 14 Tage durchgesehen. Ich habe die Empfehlung der Bundesregierung (2016) studiert. Ich habe auch einen Vorratsrechner(2) gefunden, mit dem man für sich und seine Liebsten den Vorrat für bis zu einem Monat berechnen kann. Und was soll ich sagen? In keiner Liste, in keiner Empfehlung tauch Klopapier auch nur am Rande auf.

Eine vernünftige oder auf Erfahrung fußende Erklärung für den Jieper(3) auf Klopapier scheint es nicht zu geben. Ich versuche mich also durch pure Vorstellungskraft dem Thema zu nähern. Sagt sofort Bescheid, wenn ihr merkt, dass da die Phantasie mit mir durchgeht. Bei so einem heiklen Thema kann da die Grenze zur Realität schon mal etwas verschwimmen.

Ich versuche mich dem Thema zunächst mit funktionalem Rationalismus zu nähern. Der Deutsche hat es ja sehr mit Funktionalem, mit Rationalem und auch mit Effizientem. Also Rechenschieber zur Hand und ausgerechnet: Wenn ich soundso viel Lebensmittel an Bord habe, dann muss ich soundso oft auf den Pott. Zu jedem Stuhlgang nehme ich acht Blätter Klopapier. Das Gegessene möchte einmal am Tag entsorgt werden. Eine haushaltsübliche Packung Klopapier enthält acht Rollen à 150 Blatt. Das wäre dann 150 mal kacken und abwischen.

Wer es für sich ganz individuell ausrechnen mag, hier gibt es den praktischen Toilettenpapier-Rechner

Wenn ich so richtig gehamstert habe, dann nenne ich 12 Packungen Klopapier meins. Ich muss mir also über die nächsten 1800 Sitzungen keine Gedanken machen. Oder vielleicht doch? Immerhin habe ich auch Lebensmittel für einen Monat gehamstert. Mehr Stauraum bieten Küche und Keller nicht. Heißt ganz klar, nach 31 Tagen Spachteln und Entleeren ist nichts mehr zum Spachteln da. Folglich auch nichts mehr zum Entleeren. Aber noch locker 10 Packungen Klopapier.

Jetzt stelle ich mir mal so eine richtige Extremsituation vor: einen Atomkrieg. Und ich habe - vorausschauend wie ich bin - schon Mitte des Kalten Krieges einen Bunker für mich und meine Lieben unter der Garage gebuddelt. Wenn ich mich da so umschaue... Platz für Klopapier? Echt nicht. Weder für frisches, noch für gebrauchtes. Da wird jeder Kubikzentimeter für Überlebensnotwendiges gebraucht. Und ein paar Zentimeter auch, um sich mal auszustrecken.

Vielleicht bin ich da auch etwas zu engstirnig. Vielleicht bekommt Klopapier in der Katastrophe einen Wert, den wir uns im Alltag gar nicht vorstellen können. Als Tauschmittel. Tausche acht Blatt (Wir erinnern uns, das reicht für einen Schiss) gegen eine Hand voll Nudeln (reicht auch für einen Schiss). Oder eine Rolle gegen eine Stange Zigaretten. Muss man dann nur noch jemanden finden, der statt Klopapier für fünf Jahre Lebensmittel gehortet hat. Vielleicht freut sich auch ein Bauer, wenn er Kohlkopf gegen Klobeigabe abgeben kann.

(3) [de.wiktionary.org]: Jieper

Bevor jetzt Verzweiflung in den Reihen der Klopapierkönige auf kommt. Gewinnt eurem Überfluss einfach was gutes ab. Bereitet euch ein lecker Essen, denn Nudeln habt ihr vielleicht auch noch:

[der-postillon.com]: Rezepte mit Klopapier

Oder ladet das Klopapierpräkariat in eurer näheren Umgebung zum lustigen Mumienspiel:

[spielewiki.org]: Mumienspiel