Abt.: Kreuzigung
So ein Kreuz
Das urchristliche Symbol des Kreuzes... ist eigentlich gar kein christliches Symbol. Also nicht unbedingt. Objektiv vielleicht schon. Subjektiv aber... wer vermag das schon zu sagen. Aber das werden wir wohl aushalten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Kreuze in Bayerischen Behörden hängen bleiben dürfen. Das wirft Fragen auf.
Ganz schlimm finde ich - und ich maße mir nicht oft eine Richterschelte an - dass sich das Gericht in eine unangenehme Schwurbelei verrennt. Irgendwie ist das Kreuz schon ein religiöses Zeichen. Die Vorschrift, überall Kreuze aufzuhängen sei jedoch eine Vorschrift ohne rechtliche Außenwirkung. Und es gebe schließlich keinen Schutz vor einer Konfrontation mit einem Glaubenssymbol wie dem Kreuz.
Das Gericht ist der Meinung, der Freistaat mache sich "nicht mit christlichen Glaubenssätzen(1)" gemein. Wie soll man das denn verstehen? Ist die Bedeutung des Kreuzes variabel? Hängt es in der Kirche, dann ist es sehr wohl Ausdruck der christlichen Glaubenssätze. Hängt es hingegen in einer Amtsstube, dann ist das mehr so frei zu interpretierende Kunst am Bau?
Art. 137 GG(2) sagt recht eindeutig: Es besteht keine Staatskirche. Und das heisst ganz klar, der Staat hat da seine Finger raus zu halten. Er darf keine Kirche bevorzugen und keine Werbung machen. Und die Zwangsbeglückung öffentlich zugänglicher, staatlicher Einrichtungen mit dem christlichen Symbol stellt eindeutig Werbung und Bevorzugung der christlichen Kirche dar.
Irgendwie ist das Kreuz aber doch nur ein Symbol für unsere kulturelle Prägung, so ist Herr Söder zu vernehmen.
Was soll ich mir denn darunter vorstellen? Die Prägung, die in jüngerer Vergangenheit Europa mehrfach in Schutt und Asche gelegt hat? Oder mehr so die Zeit zu der Scheiterhaufen und Folter zum Alltag gehörten? Oder nicht ganz so drastisch Laptop und Lederhosen mit Bierzelt und Blasmusik? Wie sieht also diese kulturelle Prägung aus, für die das Kreuz steht?
Wäre es da nicht folgerichtig unter dem Kreuz auch Panzer und Pranger als Bezug zur Bayerischen Tradition aufzustellen. Oder wenigstens Biertisch und Masskrug. Gehört alles irgendwie zu Bayern dazu. Und zu der christlich kulturellen Prägung.
Vielleicht sollte auch mehr heraus gearbeitet werden, dass es sich beim Kreuz tatsächlich um ein grausames Folter- und Hinrichtungsinstrument handelt. Also weniger weichgespülter "Jesus von Nazaret(3)", sondern mehr blutige "Passion Christi(4)". Die Ämter in der grauslichen Tradition römischer Kolonialisten und Unterdrücker.
Außerdem verletze der Freistaat durch das Aufhängen der Kreuze nicht den Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität. Denn dieser verlange "vom Staat keinen vollständigen Verzicht auf religiöse Bezüge im Sinne einer strengen Laizität, sondern verpflichtet ihn zur Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und verbietet ihm die Identifikation mit einem bestimmten Glauben", so das Gericht. Damit stehe der Kreuzerlass keinem Grundrecht entgegen.
Mich würde in diesem Zusammenhang die "Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen" eines Herren Söder und seiner Bagage interessieren. Würde er denn ohne mit der Wimper zu zucken auch Halbmond und Davidstern aufhängen? Direkt neben Zeus Blitzbündel und Thors Hammer?
Es ist eben nicht einfach nur irgend ein Symbol. Es ist ein klar christliches Symbol. Und da kann man auch nichts anderes hinein deuten oder das irgendwie anders sehen. Würde es nur darum gehen, die Verbundenheit mit Bayern auszudrücken, dann gäbe es einen ganzen Sack voll Symbole, die dazu in der Lage sind und keinen eindeutig religiösen Charakter haben. Da gibt es den Löwen und die Bavaria. Das Wappen und die weiß-blaue Fahne. Ein Portrait vom Kini oder ein Modell von Neuschwanstein.
Aber was weiß ich schon.
(1) [abendzeitung-muenchen.de]: Söder lobt Leipziger Urteil: Das Kreuz "gehört zu Bayern"Söder lobt Leipziger Urteil: Das Kreuz "gehört zu Bayern"
(2) [gesetze-im-internet.de]: Art. 137 GG
(3) Jesus von Nazaret
(4) Die Passion Christi
(5) [zeit.de]: Kreuze in öffentlichen Einrichtungen in Bayern dürfen hängen bleiben