Eine Frage zur Einordnung?

Scheißmeinung und Meinungsfreiheit

Der Krieg in der Ukraine ist ein erschütterndes Beispiel, wie dünn auch heute die Haut der Zivilisation ist. Putin tritt Internationales Recht mit Füßen. Aber reicht das als Rechtfertigung, um auch bei uns Recht und Gesetz in die Tonne zu treten? Helft mir bei einer Einordnung.

München entlässt den Dirigenten Waleri Gergijew. Anna Netrebko - noch vor kurzem der Liebling der Klatschpresse - wird in Stuttgart zur persona non grata erklärt. Nicht weil sie böse Dinge tun, sondern weil sie sich von bösen Dingen nicht nachdrücklich distanzieren.

Wobei Herr Gergijew in vergangenen Tagen kein hehl aus seiner Putinfreundlichkeit gemacht und gar die Annexion der Krim abgefeiert hat. Bei Frau Netrebko weiß man tatsächlich eher nicht, wie sie zu Putin persönlich steht.

Es ist natürlich schön und begrüßenswert, wenn Stadt, Land und Bund Zeichen setzen und Stellung beziehen. Gegen Krieg, gegen Gewalt, gegen Putin.
Doch ist das Zeichensetzten auch dann lobenswert, wenn dabei demokratische Gepflogenheiten und rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen werden?

Putin gut zu finden, ist zunächst mal eine Meinung. Eine Scheißmeinung zwar, aber es ist eine Meinung. Und Meinungsfreiheit beinhaltet eben auch die Freiheit, eine Scheißmeinung zu haben. Sogar auch, diese Scheißmeinung in die Welt hinaus zu posaunen.

Wenn jetzt jemand meint, seine Scheißmeinung allen in die Ohre stopfen zu müssen - ob die das wollen oder nicht - dann muss es sich dieser jemand natürlich gefallen lassen, wenn man ihm ein "schleich dich mit deiner Scheißmeinung, du Depp" entgegen hält. Und wenn dieser jemand seine Scheißmeinung in alle Mikrofone seiert, die ihm unter die Nase gehalten werden, dann muss dieser jemand auch damit leben, wenn ein Arbeitgeber sagt, "wenn du deine Scheißmeinung so offensiv vertrittst und diese Scheißmeinung so gar nichts mit unserer Firmenkultur zu tun hat, dann muss ich unser Arbeitsverhältnis als zerrüttet ansehen und dir die Türe weisen".

Wenn jetzt aber jemand seine Scheißmeinung vorwiegend für sich behält und lediglich davon Abstand nimmt, seiner Scheißmeinung öffentlich abzuschwören, dann bleibt das, wie gesagt, eine Scheißmeinung, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Ist das nicht Aktionismus, der dabei ist, jedes Mass und jedes Ziel aus den Augen zu verlieren?
Was meint ihr?

Nachsatz

Natürlich ist das eine Marginalie angesichts der Monstrosität eines Angriffskrieges.