Geschichten, die das Leben schreibt

Putin, ein Schmierenkomödiant

Ich bin ja kein Regisseur. Und Drehbuchautor bin ich auch nicht. Dafür fehlt mir die Phantasie.
Aber ich versuche mich jetzt mal...

Szene 1
Panzer rollen auf ein unbestimmtes Ziel hin.
Panzerketten in Großaufnahme. Rasseln, Schnaufen...
Stimme aus dem Off: Unser großartiges Vaterland ist bereit

Szene 2
Monumentaler Hintergrund.
Großer Vorsitzender (stehend):
Wir lassen unsere Brüder und Schwestern, ihre Fabriken und Bodenschätze - bitte streichen sie die letzten beiden - nicht im Stich. Wenn sie uns rufen, stehen wir ihnen zur Seite.

Szene 3
Großer Vorsitzender (sitzend) öffnet einen Brief:
Wir können dich nicht rufen. Das verstößt gegen (hier jetzt eine ganz lange Liste mit so Begriffen wie Anstand, Völkerrecht, Eskalation und so Sachen)...
Gezeichnet: Deine Brüder und Schwestern.
Großer Vorsitzender entblößt seine Brust und greift zu Federhalter und Pergament:
Bereitet schon mal euren Hilferuf vor, ich hab da eine Idee. Ich schick euch schon mal den Wortlaut und das Datum. Das Datum sagt ihr aber keinem, gell.

Szene 4
Großer Vorsitzender (genervt) ans Publikum gewandt:
Jetzt sagt nicht immer "Großer Vorsitzender" zu mir. Ich bin "Der Größte Vorsitzende Aller Zeiten". Egal, ob ich reite, schwimme, sitze oder Dinge mache, bei denen ich mich nicht filmen lasse.
Stimme aus dem Off:
"Der Größte Vorsitzende Aller Zeiten" - DGVAZ liest sich nicht gut, lässt sich nicht aussprechen. Auch wenn da bezug auf zwei der größten Verbrecher des 20. Jahrhunderts Bezug genommen würde. Aber dazu hast du den Arsch noch zu weit unten.
Großer Vorsitzender:
Ihr werdet schon noch sehen, wo ich meine Arsch überall nieder lasse.
Stimme aus dem Off:
GAAZ... das hätte was... Größtes Arschloch Aller Zeiten.

Szene 5
Herrschaftlicher Saal. Marionetten sind auf Stühlen sitzend an der Wand aufgereiht. Der große Vorsitzende (gehend) schreitet die Stuhlreihe ab, greift hier und da nach dem Ohr einer Marionette (1). Schließlich nimmt er andachtsvoll hinter einem Schreibtisch aus weißem Marmor platz.
Eine Marionette nach der anderen erhebt sich und spult ihren Text herunter:
"Würden wir empfehlen anzuerkennen..."
"Wäre es geboten..."
"Ist es höchste Zeit..."
"Schließlich sind das unsere Brüder und Schwestern..."
Der GAAZ hört sich das - Schnitt... natürlich nicht an, er ist derweilen bogenschiessen in der Tundra. Natürlich ohne T-Shirt - in Ruhe an, kramt dann in der Schublade und verkündet triumphierend:
Ich hab da mal was vorbereitet. Ich erkenne die Vaterschaft für alle meine Kinder an. Ich werde für alle meine Kinder da sein. Besonders, wenn sie mich rufen. WENN SIE MICH RUFEN... habt ihr das verstanden? WENN SIE MICH RUFEN...
Die Marionetten bekommen staunende, große Augen. Anerkennendes Gemurmel ist zu vernehmen.

Szene 6
Großer Vorsitzender in einer dunklen Gasse. Er sieht sich nach Verfolgern um. Dann steckt er flugs zwei, drei Briefe in den toten Briefkasten. Schließlich schwingt er sich auf sein Ross und galoppiert gen Kreml. Sein T-Shirt hat er offenbar vergessen.
Zwei grobschlächtige Gestalten, unrasiert, in Camouflage-Hosen, Feinripp-Unterhemden und Stoppeln im Gesicht, holen die Briefe ab und eilen behende zu den schon mehrfach genannten Brüdern und Schwestern.

Szene 7
In dunklen Bunkeranlagen öffnen die kleinen Vorsitzenden der genannten Brüder und Schwestern die Briefe. Sie lesen erfreut und laut vor:
Liebe Brüder und Schwestern, ich der GAAZ, erkenne euch als meine Söhne und Töchter an. Ich bin immer für euch da. Besonders, wenn ich mich ruft.
WENN IHR MICH RUFT... habt ihr verstanden? IHR MÜSST MICH RUFEN - hier jetzt ein nicht zitierfähiger Fluch - denn wenn ihr mich jetzt nicht ruft, dann muss ich mir einen anderen Vorwand einfallen lassen. Und das geht ganz schön ins Geld. Und damit ich mir nicht noch was anderes einfallen lassen muss, habe ich schon mal vorgefertigte Hilferufe im Kuvert mit Rückporto beigelegt.

Szene 8
Der GAAZ schaut morgens nach der Post. Im Morgenmantel, Brustbehaarung ist gut zu sehen, das Goldkettchen auch:
Hossa und Hosianna, die ersehnten Briefe sind da. Kutscher spann an. Panzerfahrer, starte die Maschine.
Wir fahren gegen... ach nein, wir besuchen unsere Brüder und Schw... meine Kinder. Meine Söhne und Töchter. Die brauchen uns. Die brauchen mich.

Szene 9 (oder war es 1? Bin etwas durcheinander.)
Panzer rollen auf ein unbestimmtes Ziel hin.
Panzerketten in Großaufnahme. Rasseln, Schnaufen...
Stimme aus dem Off: Unser großartiges Vaterland ist bereit

Und wenn ich mir als Regisseur so ein Drehbuch durchlesen muss - und ich kann sagen, ich habe schon viel Mist lesen müssen - dann stelle ich das umgehend ins Regal unter die Rubrik "Blödsinn, weil an den Haaren herbei gezogen".
Und damit habe ich meine Karriere in der Film Industrie auch schon wieder beendet.

Nachsatz
Dieser Text ist in der Nacht vor dem Krieg entstanden.

(1) Er gewährt ihm ein Ohr: comedix.de