Abt: Weißwurstopfer

Opferwurst

Man lernt ja nie aus. Täglich prasseln neue Informationen gegen die Schädeldecke. Die Herausforderung besteht vor allem darin, im beständigen Strom Nützliches von Unnützem, Wichtiges von Unwichtigem und Brauchbares von Informationsschrott zu unterscheiden. Heute geht es um die Opferwurst.

Die Opferwurst im Allgemeinen und die Opferweißwurst im Besonderen.

Wie wir alle wissen, nimmt die Weißwurst in der bajuvarischen Kultur von Alters her eine ganz exponierte Stellung ein. Der Umgang mit dem Kulturgut ist streng reglementiert. Wer dagegen verstösst wird schnell mit dem Wurstwasser ausgekippt und über den Weißwurstäquator gejagt.

Und da wären wir bereits beim Thema: Das Wurstwasser. Im Weißwurstcanon ist festgelegt, dass das Wasser zwar heiss sein muss, keinesfalls jedoch kochen darf, sobald die Brühwürste eingelegt sind. Das ist Gesetz. Verstösse hingegen müssen nicht weiter geahndet werden. Wer dagegen verstösst, bekommt keine Wurst, die bekommen Schlabbersupp von zeplatztem Darm und Brät. Das ist Strafe genug.

Jetzt kam doch glatt ein - ansonsten sehr geschätzter Kollege - aus dem Weißwursthinterland daher und wollte mir erzählen, natürlich koche man das Wasser zusammen mit einer einzelnen Wurst. So lange bis die Wurst platze. Dieses Weißwurstopfer diene dazu, das Wasser mit Salz und Aromen zu sättigen, damit den später zum Verzehr eingelegten Würsten kein Geschmack mehr entzogen würde. Das hätte ihm sein Metzger erzählt.

...und der Metzger hat die Information sicher vom Neffen seiner Frau, der beschwören kann, dass er jemanden kennt, der einen Kollegen hat der Stein und Bein schwören könnte, dass das seine Urgroßmutter mütterlicherseits das schon immer so gemacht hat.

Gefühl und eigene Praxis sagen mir, dass das ein ausgemachter Schmarrn ist. Weil Gefühl und "weil ich das schon immer so gemacht habe" oftmals schlechte Ratgeber sind und auch als stichhaltige Belege in hitziger Diskussion schnell vom Tisch gewischt sind, habe ich recherchiert.

Opferwurst

Wikipedia weiss von einer Opferwurst zu berichten (1). Das rehabilitiert meinen Kollegen immerhin so weit, als dass auch andere zu Wurstopfern geworden sind. Denn bei Wikipedia ist zu lesen "Dies ist jedoch vorrangig nur bei grösseren Mengen zu erhitzender Würste sinnvoll" und "wenn die Würste nicht für den unmittelbaren Verzehr erhitzt werden". Beides trifft auf die Weißwurst im allgemeinen nicht zu. Weißwürste werden für gewöhnlich - am familiären Frühstückstisch ebenso wie in der Gastronomie - in kleinen Portionen zubereitet. Ebenfalls kommen sie direkt aus dem Wurstwasser auf den Teller.

Weil sich aus Wikipedia lediglich ableiten lässt, dass die Opferwurst in der Weißwurstzubereitung bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielt, soll hier die Wissenschaft herangezogen werden. Wäre denn eine Opferweißwurst sinnvoll und zielführend?

Widerlegung der Opferwurst-Theorie

Wenn sich die ernsthafte Wissenschaft nicht in die Niederungen, kulturell geschmacklicher Auseinandersetzungen begeben möchte, muss der Nachwuchs her halten. Mit einem vergleichsweise einfachem Versuchsaufbau und einer ebenso einfachen These ist es Johannes, Oliver und Esther (2) gelungen, die Opferwurst-Theorie zu widerlegen.

Die These: Der Weißwurstgeschmack kommt von den verwendeten Gewürzen. Lässt sich eine signifikante Änderung der Gewürzmenge in der Wurst vor und nach dem Brühen feststellen, hat die Opferwurst ihre Berechtigung. Es konnte keine signifikante Änderung festgestellt werden. Daraus folgt: Die Opferweißwurst "ist eher eine Wurstverschwendung."

Nachsatz

Memo an mich: "Du Opferwurst" ist ein wunderschönes Schimpfwort.
Memo an mich: "Opferweißwurst" ist ein ganz vortrefflicher Bandname.

(1) [wikipedia]: Opferwurst
(2) [fudder.de]: Was bringt die Opferwurst?