Abt.: Leckt's mich am Arsch
Kulturelle Aneignung - ein paar Fragen hätte ich noch
Ich hätte da doch noch ein paar weitere Fragen zum Thema kulturelle Aneignung.
Wie ist dass denn wenn ein PoC aus der Bronx Dreads trägt? Der hat doch mit ganz anderen Diskriminierungserfahrungen zu tun, als der Rastafari auf Jamaika. Und umgekehrt, darf ein Rasta HipHop machen und Goldkettchen tragen.
Darf ein PoC überhaupt Goldkettchen tragen oder bleibt das dem Manta fahrenden Proll aus der niederbayerischen Provinz vorbehalten?
Gibt es denn auch eine Diskriminierungseinstufung? Zum Beispiel ein Punktesystem, das besagt, du bist prekär genug, du darfst deine Haare verfilzen lassen. Du hingegen nicht, weil du warst Präsident der USA.
Wenn kulturelle Aneignung so böse ist, wie ist das dann mit kultureller Abneigung?
Wenn ich zum Beispiel die religiös überhöhte Huldigung eines verstorbenen Afrikanischen Despoten bestenfalls drollig finden kann. Und gleichzeitig eine tiefe Abneigung gegen die Abneigung einiger karibischer Kiffer gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe habe.
Darf ich das? Oder ist das auch schon übergriffig? Weil vielleicht in einer prekären Gesellschaft das Homophobe seine kulturelle Berechtigung hat? Oder weil es mir schlicht nicht zusteht, das was ich in meinem eigenen Kulturkreis verabscheue auch in anderen Kulturkreisen zu verabscheuen?
Wie ist das denn umgekehrt einzustufen? Also wenn sich zum Beispiel ein Underdog aus Kingston eine adrette Frisur schneiden lässt und edlen Zwirn aus Kaschmir und Mohair trägt. Darf er das denn? Oder ist das verwerfliche Mimikry, Anpassung an die eigenen Unterdrücker und damit Leugnung der eigenen Identität?
Wie ist das, wenn sich jemand aus der Englischen Mittelschicht in London den Kopf rasiert und Workerboots trägt. Darf der das, weil er aus dem gleichen kulturellen Umfeld kommt, wie der Dockarbeiter aus Dover? Und überhaupt, dürfen Skinheads Reggae hören? Oder nur Ska? Oder doch eher gar keine Musik, weil Ska ja aus Jamaika kommt. Oder müssen sich Skinheads, die gerne Ska hören Dreadlocks wachsen lassen?
Ist es denn dann nicht schon kulturelle Aneignung, wenn sich ein reicher Erbe in Grünwald eine luxuriöse Küche schreinern lässt, die sich der Schreiner selbst nie leisten kann? Oder erst, wenn ich im Garten nach traditioneller Art - mir ganz egal nach wessen Tradition - heisse Steine zusammen mit einem Wildschwein vergrabe.
Darf ich dann überhaupt meine eigenen kulturellen Ketten sprengen und nach Freiheit streben? Weil ich doch nie ganz sicher sein kann, ob ich mir dabei nicht irgend etwas aneigne, was sich schon jemand anderes angeeignet hat.
Zuletzt möchte ich noch den Themenkomplex "Tätowierungen im Wandel der kulturellen Aneignung" anreissen. Da weiss ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Bei den Tätowierungen indigener Völker rund um den Erdball? Der Eigenstigmatisierung von lichtscheuem Gesindel? Oder bei der Kennzeichnung von KZ Insassen?
Wenn es nach den Wächtern der kulturellen Aneignung ginge... wer dürfte noch ein Fußballspiel ansehen? Gibt es doch kaum einen Balljäger ohne Hautgemälde.
Ne, Leute, lasst mich mit dieser "kulturellen Aneignung" in Ruhe. Echt jetzt.