Abt.: Oberstübchen

Karteikasten der Erinnerung

Habt ihr eine bestimmte Ordnung, wie ihr Informationen und Erinnerungen abheftet?

Mit zunehmendem Alter wird das, was man in seinem Kopf unterbringen möchte oder muss, zunehmend mehr, komplexer und verwirrender.

Nicht dass die ersten Eindrücke, die man sammelt nicht auch verwirrend wäre. Der Grund ist nur ein anderer. Der Grund zu Beginn des Lebens ist schlicht, man hat noch nicht viel, um die Eindrücke einordnen, abheften und verknüpfen zu können. Da ist nichts.

Am anderen Ende des Lebens ist da hingegen so verwirrend viel, dass sich manches einfach nicht so einfach unterbringen lässt. Für sich selbst muss man - und man hat dazu meist reichlich Zeit - einen Weg und ein System finden, mit dem man zurecht kommt. Findet man das nicht, verliert man sich schnell oder über kurz oder lang im Dickicht der eigenen, aber ungeordneten Gedanken.

Ich bin davon überzeugt - und ich denke auch davon gelesen zu haben - viele Gedanken und Eindrücke bekommen den Stempel "banal" und werden in der eigenen Registratur ganz weit nach hinten sortiert. Klar gibt es da auch die Abteilung "geheim", "geht euch nichts an" und eine ganze Menge "kann man noch mal brauchen" und "ohne dem geht nichts".

Einige Zeit - wenn man in Saft, Kraft und Berufsleben steht zum Beispiel - gelingt es einem mehr oder weniger virtuos zwischen all diesen Themen hin und her zu wechseln. Sie zu kombinieren und je nach Anlass locker vor dem Auditorium auszubreiten.

Nehmen die sozialen Interaktionen ab, beginnt man - bewusst oder unterbewusst - seine innere Registratur um zu organisieren. Da legt man sich ein paar Plattitüden zurecht, die jederzeit und Unzeit über das lauschende Gegenüber gekippt werden. Das Gegenüber weiß dann nach zwei oder drei Sitzungen das gehörte ein- und ganz nach hinten zu ordnen.

Manchmal - und das führt zu ganz großen Momenten der Unterhaltung - geraten die Karteikasten der Erinnerung in Unordnung und erzeugen damit ein Multiversum aus Geschichten, Anekdoten und Meinungen. Für den gelassenen Zuhörer ist es ein hohes Gaudium verschiedene Ebenen zu erkennen, zu zuordnen und in reale Relationen zu setzen. Andere wenden sich frustriert oder genervt ab, weil sie in dem Dargebotenen bestenfalls unverständliches Gebrabbel erkennen können.