Schweinisches vom Schwein

Engpass bei der Fleischzerlegung

Ein Nebenkriegsschauplatz der Corona-Krise veranschaulicht die Perversion des kapitalistischen Systems in der Lebensmittelindustrie: Schweine können nicht so schnell geschlachtet werden, wie sie erzeugt werden.

Während der Veganer als solches der Landwirtschaft gerne vorwirft, keinerlei Achtung vor dem Leben der Tiere zu haben und die Bauernverbände gerne entgegnen, natürlich hätten sie Respekt, tendiert das Idiom der fleischverarbeitenden Industrie, den Veganern Recht zu geben. In ihren Publikationen bekommt man selten das Gefühl vermittelt, es handele sich um lebende, fühlende Wesen. Das wird das Schwein auf seine Profittauglichkeit reduziert, da wird das Tier zu reinen Ware.

Und weil die Sprache das Denken bestimmt... oder anders herum... erlaubt die Berichterstattung über den "Stau an schlachtreifen Schweinen" einen tiefen Einblick in die Szene.

Es wird produziert, was die Zuchtsau her gibt. Da spielt es keine Rolle, ob es einen Bedarf gibt, keine Rolle ob es Abnehmer gibt. Allein der Profit ist ausschlaggebend. Sehen wir uns dazu - vereinfacht dargestellt - den Weg der Schweinshaxen etwas genauer an.

Die Pfeile stehen weniger für eine Richtungsangabe, sie stehen vielmehr als Platzhalter für Profitstreben. Denn während das Ferkel in die eine Richtung - fast hätte ich gesagt strebt, aber welches Ferkel strebt schon von sich aus in Richtung Knödel und Krautsalat - getrieben wird, fließt natürlich Geld in die andere. Und weil die Zeiten des einfachen Handels längst durch Börse und Spekulation abgelöst sind, fließt das Geld nicht wie ein Fluß in eine Richtung, sondern wird zum Wohle von Investoren und Spekulanten verwirbelt, verschleiert, zurückgehalten, in den Markt gepumpt und verschoben was das Zeug hält.

Entsprechend fehlt gerade zwischen "Schlachthof" und "Konsum" die eine oder andere Station. Etwa der Handel. Schließlich muss irgendwer dafür sorgen, dass selbst masslose Überproduktion ordentlich Penunze abwirft. Sind die heimischen Wänste bis zum Bersten gefüllt, muss das Schwein nach China oder Übersee. Oder wenigstens als Mehl in die Fischzucht.

Ende der Vorrede.

Wie im kapitalistischen System alles den kapitalistischen Spielregeln unterworfen ist, so ist auch die Lebensmittelindustrie unterworfen. Und die Spielregeln besagen, wer nicht wächst, geht unter. Dass das einer anderen Regel diametral zuwider läuft, ficht die Theoretiker nicht an: Die Nachfrage regelt das Angebot.

Im konkreten Fall würde das heissen, wenn der Konsum befriedigt ist - und mal ehrlich, selbst das mächtigste Schnitzelgrab zwingt nicht mehr als ein Schnitzel am Tag - dann müsste die Produktion stagnieren. Oder um die Kette zurück zu gehen: Weniger Konsum führt zu weniger Schlachtungen. Weniger Schlachtungen zu weniger Mast. Weniger Mast zu weniger Ferkelaufzucht.

Der Fleischkonsum ist seit Jahren gleich. Wenn jetzt coronabedingt weniger geschlachtet wird und die Kühlregale im Supermarkt trotzdem rappelvoll sind, dann ist das ein Zeichen von Überproduktion. Will heissen, es findet schon seit Jahren eine Marktverzerrung statt - sei es durch Agrarsubventionen, sei es durch Vernichtung von Lebensmitteln - die zu Lasten der Schweine geht. Sie werden gezüchtet, gemästet und geschlachtet... und dann weggeschmissen. Achtung vor dem Leben? Eins geschissen.

Nun also der Aufschrei der Ferkelproduzenten. Sie bleiben auf den kleinen Schweinen sitzen. Nicht, dass sie folgerichtig weniger Ferkel aufziehen. Nein, dass würde ja einen Rückgang ihres Geschäftes bedeuten. Sie schreien nach mehr Schlachtungen. Die Schlachthöfe sollen auch Sonntags ihrem blutigen Geschäft nachgehen, damit die Kadaver am Montag dann zu Tiermehl zermahlen werden können.

Kann denen nicht mal jemand die rote Karte zeigen? So von Gesetztgeberseite her: Sonntag wird nicht gearbeitet und Sonntag wird auch nicht geschlachtet. Basta.
Oder von Verbraucherseite her: Euren Tönnies-Herta-Massen-Scheiss könnt's selber fressen. Wir kaufen regional, ökologisch und mit Qualität.

Ein interessanter Ansatz übrigens

Für gewöhnlich steht der Ferkelbauer in keiner Beziehung zum Schweinesser. Er hat also nicht die geringste Ahnung, wieviele Schweine zu welcher Zeit auf den Teller muss. Der Schweinesser seinerseits hat keine Möglichkeit, dem Bauern zu sagen, wann ihm nach Haxen oder Blutwurst ist.

Einen interessanten Ansatz verfolgt kaufeinschwein.de. Die Tiere werden erst verkauft und dann geschlachtet. Nicht anders herum. Das stellt sicher, dass nur geschlachtet wird, was auch auf den Teller kommt. Da wird nichts weggeschmissen und nichts überproduziert. Und wenn man der Seite glauben mag, dann wird auch dafür gesorgt, dass die Tiere mit einem Mindestmass an Respekt behandelt werden.