Eine Zensur findet nicht statt
Das Thema ist ungleich größer als Trump
Trump in den sozialen Medien gesperrt. Hurra mögen da viele gedacht haben. Auch ich habe Hurra gedacht, und dass diese Maßnahme viel zu spät kommt. Weltpolitik auf Twitter. Schnell mal einen raus hauen, wenn einem gerade danach ist.
Das Hurra noch nicht zu Ende gedacht, macht sich ein bitterer Geschmack auf der Zunge breit. Ein bitterer Geschmack, der sich weder mit Cola, noch mit Bier übertünchen lässt. Ein bitterer Geschmack, der sich beim Nachdenken immer bitterer ausnimmt.
Da spuken Begriffe wie Demokratie, Rechtsstaat und Zensur durch den Kopf. Gemeinschaftsstandards, Machtposition und Transparenz. Ausgeliefert sein, Machtmissbrauch und Willkür. Verantwortung und Mitbestimmung. Monopolstellung und Meinungsvielfalt, Recherche und Konkurrenz.
"Das Thema ist ungleich größer als Trump"
"Eine Zensur findet nicht statt", so steht es bei uns im Grundgesetz. Und das nicht ohne Grund. Zensur ist ein Instrument der Mächtigen, um unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit - mal besser, mal schlechter - dafür gesorgt, dass dieser Grundsatz gewahrt blieb. Medien waren diesem Grundsatz verpflichtet. Verlage und Journalisten haben diesen Grundsatz verteidigt und eingeklagt.
So war es in der guten alten Zeit. Heute haben wir die "sozialen Medien", die sich nicht recht viel um irgendwas scheren. Nicht um Steuergerechtigkeit und auch nicht um Grundsätze, die sich demokratische Gesellschaften mal gegeben haben. Sie herrschen selbstherrlich mit unverständlichen AGBs und intransparenten "Gemeinschaftsstandards".
Hass und Fake News, Rassismus und Gewaltaufrufe, all das wird von den "Gemeinschaftsstandards" toleriert, so lange nicht "Nippel" oder "Pimmel" in den Posts auftauchen. Inhalte, für die sich selbst die "Bild Zeitung" Rügen vom Presserat einhandeln würde. Inhalte, die anderen Ortes justiziabel und strafbewehrt wären, ohne dass jemand das Wort "Zensur" bemühen würde.
In den "sozialen Medien" hingegen ist man "Gemeinschaftsstandards" und Administratoren ausgeliefert, die nach Gutdünken schalten und walten können. Es gibt keine unabhängige Aufsicht. Sperrungen oder Löschungen von Postings oder ganzen Konten bedürfen keiner Begründung. Es gibt keine Instanz bei der man gehört wird. Da gibt es keine Rechtssicherheit, man ist einem Willkürsystem unterworfen.
"Jetzt kommt es darauf an, dass die Tech-Konzerne nach klaren, nachvollziehbaren und für alle Nutzer gleichberechtigten Regeln agieren"
Und diese klaren und nachvollziehbaren Regeln müssen rechtsstaatlich fundiert und demokratisch legitimiert sein. Denn die "Tech-Konzerne" werden sich hinter ihren Gemeinschaftsstandards und ihren Anwälten verschanzen. Denn die Gemeinschaftsstandards erlaubt es ihnen, sich wie absolutistische Könige ein ihrer Einflußsphäre zu gerieren. Und welcher absolutistische Herrscher gibt freiwillig seine Macht auf?