Abt.: Stopf nei was geht

Äpfel und Birnen

Heute mache ich mir mal Gedanken über Ernährung. Und das nicht einfach nur so. Ich möchte dabei auch gerne an euren und meinen Grundfesten der Nahrungsaufnahme rütteln.

Obst ist gut. Obst ist gesund. Schon im Englischbuch stand "an apple a day keeps the doctor away". Und von allen Seiten schallt es uns entgegen, von einer Obstmalzeit am Tag bis hin zum Superfood.

Obst ist aber auch der Mode unterworfen. Nein? Glaubt ihr nicht? Dann erzähle ich euch eine kurze Geschichte. Ihr dürft gerne aufstehen und laut "hier" rufen, wenn ihr euch wiederfindet.

Tief in den 70gern bei Oma und Opa. Abends zum Fernsehen - irgendwas mit Peter Frankenfeld, Wim Toelke oder Heinz Schenk - reichte Oma Apfelsschnitze. Fein säuberlich befreit von Schale und Kerngehäuse. Das war das Obst meiner Großeltern.

Im Garten hatten sie einen Apfelbaum. Boskop. Wenn ich da zu früh im Jahr genascht habe bekam mit sorgenvoller Mine ein einen gut gemeinten Rat mit auf meinen Lebensweg: Die sind noch nicht reif, davon bekommst du einen flotten Otto.

Wer nun mag dieser flotte Otto sein? Ich kannte einen Onkel Otto, der tauchte hie und da mit einem alten Lederkoffer auf und verschwand dann wieder. Ist das mit dem flotten Otto vielleicht auch so, dachte ich. Taucht plötzlich auf und verschwindet dann wieder.

Dass der flotte Otto mit der Verdauungstätigkeit zu tun haben könnte, darauf bin ich im zarten Kindesalter nicht gekommen. Und vor allem, warum haben meine Großeltern nicht einfach Scheißerei gesagt. Das hätte ich verstanden.

Allerdings war mein Gedankengang "Taucht plötzlich auf und verschwindet dann wieder" schon ganz nahe.

Zurück zu den Äpfeln. Es gab also reife (gut) und unreife (böse) Äpfel. Woran sollte ich als Kind jetzt unterscheiden können, wann ein Apfel reif ist und wann nicht. Bei einem Boskop. Einem BOSKOP. Die Dinger sind unreif sauer, dass es dir die Backen zusammen zieht und das sind sie auch, wenn sie reif sind.

Verlassen wir nun das Refugium meiner Großeltern und spulen ein paar Jahre, so bis Anfang der 80er, vor. Bananen waren schon einige Zeit bekannt und hatten auch Einzug in meinen Speiseplan gehalten. Die mochte ich auch recht gern. Bis... ja, bis...

Bis meine Mutter gemerkt hat, dass ich ihre mit mütterlicher Fürsorge geschmierten Stullen für die große Pause verschmähte. Und weil eine Mutter ihren Sprössling nicht über Gebühr quälen möchte, packte sie mir fortan eine Banane in die Brotzeitbox. Fünf Tage die Woche. Vier Wochen im Monat. So treibt man einem vorpubertären Jüngling den Appetit an Bananen nachhaltig aus. War nicht bös gemeint, war aber so.

Dankbar hingegen bin ich meiner Mutter, dass sie meinen Horizont jenseits von Apfel und Banane etwas erweiterte. Kiwi und Kaki hielten in die Küche Einzug. Die beiden Früchte entschädigten mich für die einseitige Obsternährung der frühen Jahre.

Verlassen wir nun die 80er und wandeln durch die 90er. Ich kann mich noch erinnern, wie in der Supermarktauslage mit einem Mal eine Fülle mir unbekannter Früchte einzu hielt. Carambole, Kaktusfeige, Litschi. Musste alles ausprobiert werden. Je exotischer, desto besser.

Naja, besser nicht unbedingt. Interessant ist die bessere Bezeichnung. An die Kaktusfeige kann ich mich schon nicht mehr erinnern. Die muss geschmacklich sehr langweilig gewesen sein. Die Litschi ist lecker, keine Frage. Aber die Pularbeit schmälert den Genuss erheblich. Die Carambole... nun ja, die Toppt die Litschi in Sachen Aufwand, den man betreiben muss, um an den ungetrübten Fruchtgenuss zu kommen, um Längen. Die zähe Haut lässt sich nicht entfernen und die Kerne müssen herausgepopelt werden. Beides nicht lecker, das Fruchtfleisch schon. Unter dem Strich nicht weiter betrüblich, dass die Carambole in größeren Mengen giftig ist.

Ab 2000 wird es unübersichtlich. Cherimoya, Rambutan, Granatapfel, Maracuja... was weiß ich noch. Manche Früchte erleben einen kurzen Hype. Weil sie von Gesundheits- oder Frauenmagazinen als Superfood angepriesen werden. Das Anpreisen hat seine Grenzen. Nach dem 10 Artikel über "wie gehe ich mit den Granatapfelkernen um" erlahmt das Interesse der LeserInnenschaft und die Magazine springen auf den nächsten Zug auf.

Ende der Geschichte. Ihr könnt aufhören "hier, hier, hier" zu rufen und dürft euch wieder setzen.

Was ihr vielleicht gemerkt habt - unabhängig davon, ob ihr "hier" gerufen habt - außer den Äpfeln kommt nichts vom Bauern ums Eck.

Früchte der Saison

Früchte von hier haben einen eher schlechten Ruf. Und haben sie keinen schlechten Ruf, dann führen sie eben mit einem guten Ruf ein Nischendasein. Also viele, nicht alle.

Einen eher schlechten Ruf hat alles was sauer ist. Dazu gehören die meisten Beeren - Stachel-, Johannis- oder Brombeere - aber auch mein geliebter Boskop. Mal im Müsli mit viel Honig, ok. Aber als Snack nebenher? Da werden Lust- und Belohnungszentrum zu wenig angesprochen.

Ein eher guter Ruf haftet dem Steinobst an. Weil süß und vielseitig. Zwetschgendatschi, Aprikosenkompott, Marillenknödel. Kirsche eh. Ob einfach so, als Kirschgeist oder als Schwarzwälder Kirsch.

Äpfel und Birnen sind so mitten drin. Für einen guten Ruf sind sie zu normal und langweilig. Obwohl... Apfelkorn, Williamsbirne.

Was all diesen hier heimischen Öbstern eigen ist, sie haben alle Saison. Die Früchte und Beeren wachsen den Sommer über, werden im Herbst geerntet und sind dann eine bestimmte Zeit haltbar. Äpfel etwas länger, Erdbeeren vielleicht zwei Tage. Dann werden sie mehlig oder matschig und schließlich pelzig. Und dann mag man sie nicht mehr um sich haben.

Diese Saison ist recht eng mit den Jahreszeiten und eigentlich überhaupt nicht mit den kulinarischen Vorlieben von uns Menschen geknüpft. Wir wollen das Obst auf dem Teller haben, wenn es uns danach gelüstet. Nicht wenn sich der Baum mal bequemt eine reife Frucht zu präsentieren.

Weil wir das mit dem Wetter und den Jahreszeiten nicht, ausufernde Transportwege - oder neudeutsch Lieferketten - umso besser im Griff haben, pfeifen wir auf die Jahreszeiten und fliegen das nach dem uns gerade ist einfach ein. Weil irgendwo ist immer Saison.

Würden wir nur und ausschließlich heimisches Obst der Saison essen, dann sähe unser Speiseplan ungefähr so aus: Von etwa Juli bis Ende September hätten wir ein wahres Füllhorn bester, reifer und mitunter süsser Früchte auf dem Tisch. Dann würden wir uns bis Fasching mit zunehmend mehliger werdenden Äpfeln und matschigen Birnen zufrieden geben müssen. Und nach der Fastenzeit hätten wir nur noch Marmelade und Rote Grütze, so wir vorausschauend und rechtzeitig eingekocht haben.

Weil das fad ist und weil wir das nicht wollen, importieren wir unseren Vitaminbedarf aus aller Herren Länder. Dann kommen im Januar eben die Erdbeeren aus Israel. So ein Obstsalat mit Mango ist weiter um den Globus rum gekommen, als du es jemals schaffen wirst.

Erdbeeren und Bananen

In diesem Zusammenhang habt ihr sicher bei passender Gelegenheit meinen mahnenden Zeigefinger gesehen: "Im Winter Erdbeeren? Ihr habt sie doch nicht mehr alle! Wisst ihr, wo die her kommen? Vom Ökologischen her, das geht ja gar nicht! Denkt doch mal ein bisschen nach." Die schmecken ja noch nicht einmal.

Aber... und jetzt kommt der Hammer. Das habe ich bisher ausgeblendet. Das lässt meinen moralischen Finger schnell zur Farce gerinnen:
Bananen, Mangos und Kaki haben ganz klar mehr Kilometer zurück gelegt, als Erdbeeren aus Israel. Und das nicht nur außerhalb der Saison, weil die haben bei uns keine Saison. Die gibt es hier klimatechnisch einfach nicht.

Selbst Orangen kommen nicht vom Bauern aus der Region. Die wachsen da nämlich nicht. Die kommen aus Spanien oder von noch weiter her. Mit dem Lastwagen. Klimatechnisch ist das nicht so knorke eigentlich.

Zum Schluß noch einmal Äpfel. Ist da nämlich die Saison rum und die Lagerfähigkeit bis März ausgeschöpft, dann kommt hierzulande aufwändige Technik zu Einsatz. Äpfel werden bei 1 Grad Celsius gelagert und begast damit sie auch im Sommer frisch und knackig im Regal liegen. Das ist mal ein Hammer für die Umwelt. Da errechnen Experten glatt eine bessere Ökobilanz für einen frisch geernteten Apfel aus Neuseeland, der eine vierwöchige Kreuzfahrt genossen hat(1).

Da macht euch mal Gedanken drüber.